Interview mit Martin Eckrich

Botschafter europäischer Kunst

Martin Eckrich ist Reflexion wichtig
Südchina-Aufenthalt: Bleibende Eindrücke

Interview in den DOMSPITZEN, April 2018

Martin Eckrich ist bekannt für ausdrucksstarke Malerei und Plastiken, Installationen und Kulträume sowie fesselnde Performances. Er ist Mitglied im Speyerer Künstlerbund, lebt in Schifferstadt. Auf Vermittlung der Stadt Speyer war Eckrich Ende 2017 auf Künstleraustausch im südchinesischen Ningde. Was ihn dort beeindruckt hat und worum sich seine Kunst dreht, erzählt er im Interview.

Herr Eckrich‚ ein zentrales Thema Ihrer Werke ist der Kreislauf des Lebens bis zu Auferstehung und Wiedergeburt. In Ihren Performances wird der Aspekt „Übergang“ besonders deutlich. Wie war Ihr Weg dahin?

Die Wahl meines Studiums „Sakrale Kunst“ war eher zufällig und das Arbeitsgebiet sollte meiner späteren Existenzgrundlage dienen. Erst als ich Vater wurde, wurde mir gegenwärtig‚ dass dem Leben et- was übergeordnetes innewohnt: Gott oder das Göttliche. Es hat mir gezeigt, dass ich das Leben an sich ins Zentrum meiner Arbeit stellen möchte – den Menschen.

Innerhalb dieses Leitthemas beschäftigen Sie sich mit Sterblichkeit und Selbstzweifel. Eine niederschmetternde Sichtweise?

Ohne Leid ist Glück nicht erfahrbar. Dass wir uns unserer Sterblichkeit bewusst sind, rückt unser Leben in ein ganz anderes Licht, motiviert uns zu leben. Es gibt Menschen, die viel zu tragen haben und gera- de durch das Leiden entsteht eine starke Verbindung zu anderen Menschen, die sonst nicht zustande käme. Ich thematisiere leidende Gesichter, weil ich zeigen möchte, dass das Leben nicht einfach ist. Mir ist Tiefe wichtig, das Nachdenkliche, das ln-sich- gehen, die Reflexion über schwierige Zeiten. Natürlich nicht nur: In vielen meiner Bilder gibt es auch Lächeln und Zufriedenheit.

Sehen Sie sich als revolutionären Kunstschaffenden?

lch bin kein Revolutionär, aber ich gehe von revolutionären Gedanken aus. Joseph Beuys etwa sagte. dass das soziale Miteinander die eigentliche Kunst sein soll. Das heißt, wir sind alle Künstler, da wir alle zwischenmenschliche Bin- dungen gestalten. Diese Grundidee ist mir bei den Performances wichtig. Auch das Christentum ist mit dem Leit- satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ revolutionär.

In Ihren Bildern kommt häufig die Farbe Schwarz vor. Wofür steht sie?

Wenn man alle Farben zusammenmischt‚ entsteht Schwarz – es ist die Energiefarbe‚ die alles vereint. Schwarz zieht Wärme am meisten an und spei- chert sie am stärksten. Schwarze Erde ist mit dem Tod verbunden, ist das, was zurückbleibt. Aber Erde ist auch fruchtbar, bildet den Ursprung für Neues. Daher habe ich in vielen Bildern mit schwarzer Kreide gearbeitet, ganz wild und energetisch aufgetragen, auch grenzüberschreitend.

Sie waren auf Vermittlung der Stadt Speyer Ende 2017 in Südchina. Was waren Ihre Eindrücke von Ningde?

Es ist eine bunte und turbulen- te Stadt, etwas größer als Ber- lin. Viele Menschen sind un- terwegs‚ der Verkehr rollt un- ablässig auf mitunter achtspu- rigen Straßen. In den Familien geht man respektvoll miteinander um. Die Großeltern erziehen ihre Enkel, da die mittlere Generation stets lange ar- beitet. Abends entspannt man sich eher mit einer Rücken- oder Fußmassage als mit einem Bier. Tradition wird hier großgeschrieben: Auf öffentlichen Plätzen treffen sich jeden Tag die Älteren zu Tai-Chi und zum Square Dance, die Jüngeren tanzen zu moderner Musik. Alles in einstudierten gleichen Bewegungen. Die Einwohner Ningdes sind überaus freundlich und ehrlich.

Wie spiegeln sich die Eindrücke in Ihren Werken?

Die Gesichter und festgehaltenen Bewegungen in meinen Arbeiten drücken die Ausgeglichenheit und das idealistische der Südchinesen aus.

Haben Sie chinesischen Künstlern auch über die Schultern geschaut?

Ja, sie malen auf saugendem Papier mit reduzierten Farben, mit Tusche. Sie ergänzen das Gegenständliche, also florale, tierische oder landschaftliche Motive mit dem Abstraktem, also Schrift. Ich habe auch Kaligraphen zugeschaut und war fasziniert.

Haben Sie auch etwas Kunst in Ningde hinterlassen?

Ja, ich habe meine Maltechniken gezeigt, also Tiere, Frauen und Tänzer gezeichnet. Die Themen und der Stil waren für meine chinesischen Kollegen ungewohnt. Zudem habe ich in Malvorführungen mein Können gezeigt und viele Bilder als Gastgeschenke dort gelassen. Meine geplante Installation kam jedoch wegen einer Zensur nicht zustande. Um zu zeigen, wie Europäer Kunst machen, habe ich vor Ort mit Studenten, Musikern und Tänzern eine Performance umgesetzt. Darin ging es um die Verbindung von Orten durch die vier Elemente Feuer, Wasser, Wind und Erde. Auch hier war mir das Thema Übergang wichtig, zu anderen Lebensformen und -inhalten. Etwas Eindruck muss ich hin- terlassen haben‚ denn mir wurde eine Gastprofessur für Performance- und Europäische Kunst an der Universität Ningde angeboten.

Info Ausstellung:
Martin Eckrich – „Verbindende Momente und Chinaimpressionen“:
Eröffnung; 1. Mai, 14-19 Uhr; Galerie Eckrich‚ Iggelheimer Straße S4